Die kleine Antje
Ich bin 1968 im Havelland in Brandenburg in der DDR geboren. Als Baby war ich aus Erzählungen zeitweise so krank, dass ich krippenuntauglich war. Unsere Eltern arbeiteten und so war ich unter der Woche bei meinen Großeltern. Das Gefühl, dass sie immer für mich da sind – ab 1980 nur noch meine Oma – da mein Opa starb, wärmt mich immer noch in der Erinnerung. Mit unseren Eltern waren wir viel in der Natur. Einerseits war ich mir dort oft selbst überlassen, anderseits gab es viel Zeit im und auf dem Wasser und Menschen, mit denen ich mich immer noch verbunden fühle. Anders als viele Hochsensible durfte ich frech sein als Kind. In manchen Situationen war ich auch schüchtern und brauchte Zeit zum Auftauen.

Das Schulkind
Ich habe viel Quatsch gemacht. Später verstand ich, dass es mein Weg war, um die Stimmung zu heben und mich nicht zu langweilen. Schule fiel mir sehr leicht. Ich bin später nie auf Hochbegabung getestet worden. Finde mich aber in einigen der Merkmale wider. Sicher spielte auch eine große Rolle, dass meine Lehrerin, mich sah und mochte. Ich spüre eine tiefe Dankbarkeit, wenn ich an sie denke. Wir freuen uns immer noch, wenn wir uns ab und zu begegnen. Das letzte Mal war es 2021 bei meiner Lesung in meiner alten Heimat im Havelland.
Ich wollte immer wieder neue Eindrücke und verreiste liebend gern mit immer wieder neuen Gruppen. Ich genoss auch das Wissen, in der Ferne Verwandte zu haben, die mich motivierten, englisch zu lernen. Auch wenn es damals nie denkbar war, diese jemals zu besuchen. Wenn Menschen aus anderen Ländern kam, war ich immer hellauf begeistert.
Um das Abitur zu machen, hätte ich bereits in der 9. Klasse entscheiden sollen, was ich später mal studieren werde. Die Auswahl fand ich furchtbar. Tränen liefen, weil da nichts zu mir passte. Leider war da keiner, der mich ermutigte, erstmal ABI machen und dann weiter zu sehen. In manchen Kreisen hatte ich noch jahrelang Minderwertigkeitsgefühle, so ohne Abitur. Mein Selbstvertrauen brauchte viel Zeit , um zu wachsen.

Was soll ich werden?
Mir war in einer Poliklinik in Premnitz eine Sozialberaterin begegnet. Da zog es mich mit 16 hin. Voraussetzung war die Ausbildung zur Krankenschwester. So begann ich im Krankenhaus. Es gab sehr viel Abwechslung, erst durch die Ausbildung auf verschiedenen Stationen und dann durch die Arbeit in der Rettungsstelle im Krankenhaus in Rathenow. Ich traf Menschen mit denen ich etwas anfangen konnte, aber mit vielen auch nicht. Ich erinnere mich an intensive schöne und schmerzhafte Momente. Durch den Schichtdienst überforderte mich die Vorstellung, parallel das Abitur nachzuholen und weiter zu lernen.

1989 die Wende kam
Viele Schwestern gingen in den Westen. Ich wollte da nicht dazuzugehören. Zwei Jahre später dann konnte ich mir selbst nicht mehr zuhören. Es fühlte sich nicht mehr stimmig an, Patient*innen in der Rettungsstelle alles Gute zu wünschen, mit der Aussicht, dass sie mir sehr wahrscheinlich nicht mehr begegnen. Es zog mich nach Potsdam. Dort suchten sie zu dieser Zeit kein Personal und so fuhr ich doch in den Westen Berlin Zehlendorf. Da gab es Bedarf an Krankenschwestern. 1991 begann so meine Zeit als Berlinerin. Nun begleitete ich Menschen über einen längeren Zeitraum, aber mich langweilte relativ bald die tägliche Routine. Beim ersten Team stimmte die Chemie auch nicht. Ich wechselte die Station. Dort hatten viele Schwestern viel Humor, so dass wir viel zu lachen hatten. Trotzdem musste sich was ändern. Erst 2019 erfuhr ich, dass es ganz typisch für Hochsensible ist, immer wieder beruflich etwas zu verändern. Ich beobachte das Bedürfnis inzwischen bei ganz vielen meiner meist Coachingkund*innen, die alle meist einen abwechslungsreichen Lebenslauf vorzuweisen haben.
Sozialarbeit
Freunde studierten in Berlin Karlshorst Sozialarbeit. Spontan fuhr ich hin. Gleich bei der ersten Begegnung mit einer Dozentin stimmte die Chemie. Sie hatte vorher auch im Gesundheitswesen gearbeitet. Menschen mit Berufserfahrungen seien sehr willkommen und ich bekam die Chance, auch ohne Abitur dort zu zeigen, ob ich studieren kann. Es klappte, auch wenn ich merkte, dass ich keine wirkliche Theoretikerin bin. Mich interessieren Menschen mit ihren Geschichten. In einem Seminar sollten wir uns unsere Traumstelle visualisieren. Ich wünschte mir eine Mischung aus Arbeit mit Einzelnen, mit Gruppen und am Schreibtisch. Nach Beendigung des Studiums meldete ich mich arbeitslos. Einen Monat später kam Post vom Arbeitsamt mit dem Vorschlag, mich in einem Frauenzentrum vorzustellen. Die Chemie stimmte und ich konnte mich dort sehr viele Jahre entfalten. Ich empfand es als riesiges Geschenk. Ich bin in den Jahren so vielen tollen Frauen begegnet, die ich in vielseitigen Lebenslagen begleiten konnte, mich ausprobieren, eine Schreibgruppe übernehmen uvm..

Mein Wissensdurst
Neben dem lernte 1999 ich das Neurolistische Programmieren kennen. Ich lernte vieles und weiß inzwischen – typisch hochsensibel. Wie es im neuen Jahrtausend damit weiterging, ist hier aufgelistet. über mich – Antje Remke -Coaching – Denken neu lenken (denken-neu-lenken.de)
Ich wurde 2002 das erste, 2004 das zweite Mal Mutter. Die beiden veränderten schon so einiges. Ist ja Eltern sehr vertraut, oder?
Ende und Neuanfang
Ganz überraschend wurde mir 2008 aus Sparmaßnahmen gekündigt. Kein Jobvorschlag vom Arbeitsamt fühlte sich stimmig an. Als dann eine zu mir sagte: „Antje, mach dich doch selbständig“, schlug mein Herz wild. Bereits in Festanstellung hatte ich Entscheidungs –und Orientierungsberatung angeboten. Bei der Recherche fand und entschied ich mich für Metaforum für die Cochingausbildung und startete Ende 2008 mit meinem Denken neu lenken.

Wissen um mein Hochsensibilität
Seit 2015 weiß ich, dass ich hochsensibel bin. Wie für viele bedeutete es, ein komplett neues Universum kennenzulernen. Es eröffnen sich immer neue Welten, Zusammenhänge werden klar. Dieses Gefühl, mich oft anders als mein Umfeld zu fühlen. Ich bin da weiter am Entdecken.
Vor dem ersten Workshop zur Hochsensibilität war ich fürchterlich aufgeregt. Bis dahin hatte ich jahrelang vielseitige Abende rund um die Persönlichkeitsentwicklung angeboten. Hochsensibilität hatte nun ja mehr mit mir zu tun. Von Anfang an, erlebte ich dann eine große Dankbarkeit von Teilnehmenden. Immer wieder das Gefühl, endlich mal andere zu treffen, die einen verstehen und Ideen zu teilen, mit der Hochsensibilität umzugehen. Mit der Zeit wird mein Gespür auch immer besser. Sei es im Coaching, in Kursen oder auch privat. Und immer wieder hören Menschen das erste Mal davon. Und immer wieder sind welche dankbar, dass ich sie darauf aufmerksam gemacht habe. Und immer wieder erlebe ich auch, dass ich auch privat mit Fremden leichter intensive Gespräche führen kann, wenn wir es voneinander wissen.

Und immer wieder
Und immer wieder bin ich auch überfordert. Und immer wieder bin ich begeistert. Und immer wieder bin ich motiviert, weiterzumachen, weil es mich traurig macht, wie viele überfordert sind und sich nicht trauen, sich zu zeigen. Und immer wieder unterstützt mich meine extrovertierte hochsensible Seite, sichtbarer zu werden.
Vielleicht ermutige ich ja so auch andere, sich mehr zu zeigen, was anzusprechen, Bücher zu schreiben oder ein Hörbuch zu veröffentlichen. Vielleicht kann ich ja auch andere anstecken, an anderer Stelle über Hochsensibilität zu reden.